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Wenn die neue Bundesregierung in dieser Woche ihre Arbeit aufnimmt, ist sie mit einer weiterhin stagnierenden Wirtschaft konfrontiert: Auch im laufenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung aller Voraussicht nach nicht wachsen. 2025 wäre damit das sechste Stagnationsjahr in Folge – die Wirtschaftsleistung verharrt auf dem Niveau von Ende 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie.
Erheblichen Anteil an der angespannten Lage hat der für Deutschland besonders wichtige Industriesektor: Die Industrieproduktion befindet sich seit Ende 2017 in einem ausgeprägten Abwärtstrend, aktuell liegt sie mehr als 15 Prozent unter dem damals erreichten Wert. Von den größeren Branchen hat sich lediglich die pharmazeutische Industrie diesem Trend entziehen können. Der Fahrzeugbau hingegen verzeichnete Einbußen von mehr als einem Viertel. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht: Die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle belasten die exportorientierte Industrie auf verschiedene Art und Weise: Zum einen hinsichtlich der Exporte in die USA, die etwa 10 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren ausmachen, zum anderen durch einen deutlich verschärften Wettbewerb mit Anbietern aus China und anderen asiatischen Ländern im Inland sowie auf den Exportmärkten außerhalb der USA. Aus den USA kommt ein zusätzlicher negativer Impuls, falls die dortige Wirtschaftslage sich deutlich eintrübt. Darauf deutet bereits jetzt einiges hin. Die deutsche Industrieproduktion wird deshalb im laufenden Jahr erneut um mehr als ein Prozent schrumpfen.
Ob es im Jahr 2026 besser wird, hängt allerdings keineswegs nur von Trump ab. Dass die Krise, in der sich die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und die Industrie im Besonderen befinden, im Wesentlichen eine Strukturkrise ist, sollte inzwischen eine Binse sein. Die Lösung kann deshalb auch nicht von außen kommen, sondern muss darin bestehen, die strukturellen Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass Unternehmen in Deutschland gute Aussichten auf internationale Wettbewerbsfähigkeit haben. Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind in dieser Hinsicht zu Recht hoch. Zum Koalitionsvertrag lässt sich festhalten: Der große Wurf, von dem ein deutliches Aufbruchsignal ausgehen könnte, ist es nicht geworden. Dazu hätte es eindeutiger Prioritätensetzungen und der klaren Ankündigung zielführender Maßnahmen bedurft.
Als Pluspunkt lässt sich die beabsichtigte Senkung der Stromsteuer mit dem Ziel niedrigerer Strompreise vor allem für die Industrie verbuchen. Die bekundete Absicht, Bürokratie abzubauen, den Staat zu modernisieren und vor allem die Digitalisierung voranzutreiben, lässt zumindest eine zutreffende Problemdiagnose erkennen. Angesichts der Fruchtlosigkeit bisheriger Bemühungen reicht das allein für das erwähnte Aufbruchsignal allerdings nicht aus – hier sollten die Aktivitäten der zuständigen Minister möglichst schnell glaubhaft machen können, dass es diese Regierung diesmal wirklich ernst meint. Wirklich enttäuschend ist die Mutlosigkeit in der Frage steuerlicher Entlastungen sowohl für die Einkommensbezieher als auch für die Unternehmen. Die Ankündigung minimaler Steuersenkungen in ein paar Jahren ist deutlich zu wenig.
Wünschenswert wäre in jedem Fall eine Schwerpunktverlagerung in den Debatten über die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft: Es kommt nicht in erster Linie darauf an, welche Ideen und Maßnahmen Trump als nächstes in den Ring wirft. Entscheidend ist vielmehr das, was wir hier in Deutschland (und Europa) selbst beeinflussen können und letztlich auch nur selbst ins Werk setzen können. Die gute Nachricht ist: Es gibt viele Stellschrauben, an denen angesetzt werden kann. Hoffnungen auf das Ende der Misere und einen neuen Aufschwung sind also allemal begründbar.