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Spätestens seit dem 19. Jahrhundert schwankt die US-amerikanische Politik in größeren Wellen zwischen dem Anspruch, als globale Führungsmacht die internationalen Beziehungen zu gestalten – wie in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg – und einem ausgeprägten Isolationismus. Mit der Trumpschen Politik schlägt das Pendel erkennbar in letztgenannte Richtung aus. In einer hochgradig arbeitsteiligen globalen Wirtschaft führt dies allerdings zu einer Selbstschwächung der USA: Die preistreibenden Wirkungen der Zollpolitik schaden der amerikanischen Wirtschaft, die rigide Migrationspolitik und die Angriffe auf die Universitäten untergraben wesentliche Grundpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit. Die Infragestellung der Unabhängigkeit der Zentralbank lässt Zweifel an der Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der Politik aufkommen und der Verzicht auf die Pflege von Bündnissen schmälert das politische Gewicht der USA in der Welt.
An den Anleihemärkten sind die Folgen bereits sichtbar: Globale Anleger, die über Jahrzehnte hinweg bereitwillig das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA finanziert haben, stellen sich zunehmend die Frage nach der Sicherheit von US-Staatsanleihen. Bislang drückt sich dieser Zweifel in moderat steigenden Zinsen aus und scheint damit noch beherrschbar zu sein. Die Absicht der US-Regierung, den Billionen-Schuldenberg weiter wachsen zu lassen, verschärft allerdings die Lage, weil die Tragfähigkeit der US-Staatsfinanzen nicht mehr gegeben ist.
Einer breiten Flucht aus US-Staatsanleihen steht bislang das „TINA“-Argument („there is no alternative“) entgegen. Genau an dieser Stelle öffnet sich eine Chance für Europa, genauer gesagt für die Europäische Währungsunion. Der Euro ist heute bereits die zweitwichtigste Reservewährung der Welt, allerdings mit sehr großem Abstand zum weiterhin führenden Dollar. Der Euroraum bietet vieles, was in den USA zunehmend in Frage steht: eine unabhängige Zentralbank, einen verlässlichen Rechtsrahmen für Unternehmen, eine offene Wirtschaft, demokratische Entscheidungsstrukturen und alles in allem politische Stabilität. In den kommenden Jahren benötigt Europa deutlich mehr Kapital für die Modernisierung der Infrastruktur, höhere Forschungs- und Entwicklungsausgaben, eine verbesserte internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Digitalisierung und nicht zuletzt für den Klimaschutz. Die Chancen stehen grundsätzlich gut, dass nun vermehrt Kapital nach Europa fließt, was die Rolle des Euro im globalen Gefüge stärken würde.
Allerdings fehlt in Europa auch einiges, was für die USA selbstverständlich ist. Dazu gehört vor allem ein einheitlicher Kapitalmarkt, der für globale Kapitalströme attraktiv und groß genug ist. Die europäische Kapitalmarktunion zu vollenden, sollte deshalb für europäische Regierungen und die EU-Kommission eine überragende strategische Bedeutung haben. Insbesondere deutlich verbesserte
Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups sind auch realwirtschaftlich ein wichtiges Element für eine verbesserte europäische Wettbewerbsfähigkeit. Das hat bereits der Draghi-Report aus dem vergangenen Jahr klar herausgestellt. Es erscheint deshalb überaus wünschenswert, dass national motivierte, eher kleinteilige Interessen, wie sie bislang vor allem auch von deutscher Seite vorgetragen wurden, im Sinne der europäischen Sache nicht überbetont werden. Der Währungsunion bietet sich hier eine Jahrhundertchance, die nicht verspielt werden sollte. Den Dollar als globale Leitwährung zu ersetzen, ist für den Euro vorerst keine realistische Zielvorstellung. Wenn aber, was angesichts der Trumpschen Agenda durchaus denkbar erscheint, das Vertrauen globaler Anleger in den Dollar weiter erodieren sollte, dann könnte und sollte Europa globalen Investoren eine Alternative bieten können.