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Die deutliche Aufwertung des Euros in den vergangenen Tagen ist in erster Linie eine Schwäche des Dollars und als solche keineswegs überraschend: Traditionell wertet der Dollar in Krisenzeiten aufgrund seiner Funktion als globaler Leitwährung auf. Bessern sich die wirtschaftlichen Perspektiven – und genau dies ist mit dem Durchschreiten der Talsohle in den Industrieländern aktuell der Fall -, folgt aus der gleichen Logik eine Abwertung des Dollars, der dann als Krisenwährung nicht mehr so stark gefragt ist.
Zur momentanen Schwäche des Dollars tragen auch die Geldpolitik der Fed und die USamerikanische Fiskalpolitik bei. Die Fed hat innerhalb weniger Monate ihre Bilanz um knapp 3 Billionen Dollar ausgeweitet. Die leichte Korrektur der vergangenen Wochen fällt demgegenüber kaum ins Gewicht, zumal die Fed bereits bekundet hat, an den Wertpapierkäufen festzuhalten. Das amerikanische Haushaltsdefizit liegt in diesem Jahr auf jeden Fall bei mehr als 15 Prozent des BIP. Dieses Defizit könnte sogar über 20 Prozent des BIP steigen, sollten weitere fiskalische Hilfen für notleidende Haushalte folgen. Angesichts des gigantischen staatlichen Schuldenbergs erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die Fed die Zinsen auf Dauer sehr niedrig hält, um die langfristige Finanzierung dieser Schulden abzusichern. All dies ist geeignet, die Rolle der USA als unangefochtener wirtschaftlicher Führungsmacht in der Welt und insbesondere die Rolle des Dollars als Reservewährung kritischer als bisher zu sehen, und genau dies tun die Investoren an den Devisenmärkten. Dass es nach wie vor kaum Alternativen zum Dollar gibt, setzt dem Abwertungspotenzial der amerikanischen Währung vorerst Grenzen und wird einen unkontrollierten Absturz verhindern.
Begünstigt wird die aktuelle Euro-Aufwertung auch durch die Einigung der EU auf ein europäisches Aufbauprogramm. Tatsächlich dürfte die enorme Summe von 750 Milliarden Euro aus EU-Mitteln zur wirtschaftlichen Erholung in Europa beitragen. Allerdings wurden in den Verhandlungen auch tiefe Risse zwischen den Mitgliedsländern sichtbar, und die Frage, inwieweit diese Mittel zu einer langfristigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder wie auch der EU als Ganzes genutzt werden, bleibt einstweilen offen.
Insgesamt erscheint allzu große Euphorie angesichts der Eurostärke nicht angebracht, denn eine schnelle und deutliche Aufwertung des Euros verschlechtert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Ausland. Ausgerechnet jetzt, da die Folgen des Lockdowns aus dem ersten Halbjahr allmählich überwunden werden, sind währungsbedingte Belastungen und daraus resultierende Einbußen im Export eher nicht willkommen.
Der fundamental gerechtfertigte Wechselkurs des Dollars zum Euro auf Basis von Kaufkraftparitäten liegt etwa bei 1,29 USD/EUR. Eine weitere Aufwertung des Euros bis zu diesem Niveau wäre also noch keine Übertreibung und erscheint angesichts der Tatsache, dass sich Wechselkursveränderungen häufig schnell und abrupt vollziehen, als realistisches Szenario. Unterbrochen oder umgekehrt würde dieser Trend dann, wenn es zu einer weiteren Verschlechterung der Pandemielage mit neuen signifikanten Beschränkungen des Wirtschaftslebens käme: Dann wäre aller Voraussicht nach der Dollar wieder als Rückzugswährung für unsichere Zeiten gefragt.